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Museum Ritter
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Interview mit Daniel Hausig im April 2020

 

Das Corona-Virus hat uns aus dem vollen Leben herausgerissen. Die geselligen Rituale der Kultur, das gemeinsame Kaffeetrinken und Essen, der Konzertbesuch oder das Kino entfallen. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen und mit dem Alleinsein konfrontiert. Wie empfinden Sie als Künstler die Situation?

 

Zunächst genieße ich es, wie vermutlich die meisten Menschen, viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich habe das Glück, mitten im nach wie vor lebendigen Hamburger Schanzenviertel zuhause zu sein. Zugleich ist das Alleinsein für mich als Künstler von jeher ungemein wichtig. Jedenfalls habe ich keine Angst davor. Alleinsein heißt nicht, sich einsam zu fühlen. Zu viel Ablenkung bringt mich künstlerisch gesehen nicht weiter. Wir Künstler suchen gewissermaßen die Ruhe und Konzentration – als eine Art Wahrnehmungsöffnung, wie der Spaziergang in der Natur, wo die Sinne aktiviert und weiter werden und das Denken frei, sodass wir auf neue Ideen kommen. Im ersten Moment kann das unangenehm sein. Vielleicht entsteht Langeweile. Aber wenn man sie annimmt, dann entsteht Raum für Kreativität.

 

Wir erleben den aktuellen Schrecken des Corona-Virus unter strahlendem Sonnenschein, als wäre nichts zu befürchten. Die Natur grünt und entfaltet sich wie jedes Jahr und doch wissen wir, dass alles anders ist. Wie sehen Sie das Licht in diesem Frühling?

 

Das natürliche Licht des hellen Tages ist meiner Arbeit entgegengesetzt. Ich fotografiere in der blauen Stunde der Dämmerung und bei Nacht. Ich weiß nicht, wie viele Sommer ich in der dunklen Werkstatt verbracht habe! Mich interessiert der Rückzug aus dem vollen Leben aber nicht nur als künstlerische Methode, sondern auch als Sujet. In den Spuren, die Menschen hinterlassen, werden sie sichtbar, ohne anwesend zu sein. Das ist ein Thema meiner Fotografien. Auch meine Lichtinstallationen stehen im Kontrast zum warmen Tageslicht der Natur. Ich beschäftige mich mit künstlichem Licht, das ist kälter. Früher hatten wir Öllampen oder Kerzen, später Glühbirnen. Seit etwa zwanzig Jahren nutzen wir LEDs und diese synthetischen Leuchtmittel strahlen aufgrund der kürzeren Wellen bläulich. Tatsächlich ist mir mein künstlerisches Gestaltungsmaterial aufgrund des Corona-Virus beinahe ausgegangen. Ich hatte noch im Januar LED-Produkte aus China bestellt und die Lieferung kam nie an. China ist vermutlich der größte Produzent weltweit. Allenfalls die Entwicklung und das Design finden noch in Deutschland statt. Seit etwa zehn Jahren beziehe ich aus China. Trotz des enormen Preisverfalls ist das vom Feinsten, high-end. Die Industrie ist explodiert wie die Ausbreitung des Corona-Virus. Früher habe ich für eine 40 cm lange LED-Platine aus Deutschland etwa 40 Euro bezahlt. Heute kriege ich 500 cm für diesen Preis und noch dazu hochwertiger.

 

 

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Ihre Kunst?

 

In der jetzigen Situation sind wir natürlich froh, dass wir die digitale Kommunikation haben. Zugleich werden uns mangels Alternativen deren Grenzen bewusst. Das Erlebnis im Raum ist immer größer, ein Ausstellungsbesuch kann nicht ersetzt werden. Der Bildschirm liefert jede Menge Information, aber er schafft keine Atmosphäre. Bildende Künstler sind dafür sehr sensibel und gehen immer vom eigenen Körper und radikal von sich selbst aus. Das führt uns zurück zum Alleinsein. Begreifen heißt anfassen, selbst ausprobieren, ein eigenes Urteil fällen. Man muss schon in den Apfel beißen, um zu erkennen und Neues zu erfahren und zu erschaffen.

 

 

 

Abbildungen:

Daniel Hausig, Studio Hamburg

© VG Bild-Kunst, Bonn 2020