Channa Horwitz
Circle and Square Negative, 2005
Acryl auf Leinwand
152,5 x 183 cm
© Künstlerin
Foto: Gerhard Sauer
Weitgehend abgeschieden vom allgemeinen Kunstgeschehen schuf die Konzept- und Performance-Künstlerin Channa Horwitz mehr als vier Jahrzehnte lang ihr Werk, ehe ihre Leistungen im Alter von über siebzig Jahren internationale Anerkennung fanden. Ihre ernsthafte Entschiedenheit, eine eigenständige Position herauszubilden, führte sie als junge Frau an mehrere Kunsthochschulen und zuletzt an das interdisziplinär ausgerichtete California Institute of the Arts, wo sie zu Beginn der Siebzigerjahre unter anderem bei Allan Kaprow und John Baldessari studierte. Bereits in ihrem Entwurf einer lichtkinetischen Skulptur, den sie 1968 für die zukunftsweisende Ausstellung Art and Technology im Los Angeles County Museum of Art einreichte, experimentierte sie mit der Visualisierung von Rhythmus, Zeit und Bewegung, die sie an die aktuellsten technologischen Möglichkeiten anknüpfte. Auch wenn ihr Beitrag nicht realisiert wurde, gilt er als Ausgangspunkt für Horwitz’ vielleicht bekannteste Werkreihe Sonakinatography, deren grafische Notationssysteme Klänge, Zeit und Farbe nach kombinatorischen Prinzipien sichtbar machen.
Die Wurzeln von Channa Horwitz’ Schaffen liegen in einer Epoche, in der die künstlerische Praxis wesentlich vom Credo der Freiheit dominiert wurde und Bilder als Ausdruck für das individuelle Temperament des Malers galten. Anders als etwa die Vertreter des Abstrakten Expressionismus kam Horwitz jedoch zu der Einsicht, dass künstlerische Freiheit nur auf der Basis von Logik und System erreicht werden könne und schuf eine Kunst, die dezidiert auf einer begrenzten Formensprache und selbst auferlegten Regeln aufbaute. Das Gemälde Circle and Square Negative, Teil einer Mitte der Sechzigerjahre begonnenen Werkreihe, verdeutlicht ihre Prinzipien. Ästhetische Grundlage ist ein orangefarbenes Raster auf weißem Grund, das das typische Gitternetz von Millimeterpapier aufgreift. Darüber befindet sich ein schwarz-weißes Arrangement aus sich überlappenden Kreisen, einem Rechteck und Quadrat, dessen Konstruktion einer vorab festgelegten, vierstufigen Anleitung folgte. Die reduzierte Bildsprache verstand Horwitz als äußerste Konzentration, weil Kreis und Quadrat alle Formen und Schwarz und Weiß alle Farben in sich vereinten. Das Regelwerk aber minimierte nicht nur ihre subjektiven Entscheidungen, sondern es eröffnete ihr vor allem auch unendliche Variationsmöglichkeiten bei der Bildfindung. Dadurch dass sich Formgruppierung und mathematisches Raster miteinander verbinden, Bild und Grund zu einer Ganzheit verwoben sind, entsteht der ambivalente Eindruck eines Raumes, in dem die abwechselnd positiven und negativen Formen zwischen Fläche, Transparenz und Tiefe hin- und herspringen.
Channa Horwitz
1932 geboren in Los Angeles
2013 gestorben in Los Angeles