Hermann Glöckner
Dreieckige Erhebungen auf Rot, 1974
Tempera auf Papierfaltung
71,5 x 50 cm
Durchdringung zweier Quadrate, 1971/1978
Tempera auf Papierfaltung
50 x 71,5 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Fotos: Gerhard Sauer
In Hermann Glöckners Œuvre, das in Dresden vor dem Hintergrund der zwei Weltkriege und der DDR-Diktatur entstand, taucht das Thema der Faltung über fünf Jahrzehnte hinweg kontinuierlich auf. Bereits in den Dreißigerjahren begann der Künstler, durch den Akt des Faltens die Komplexität seiner Kompositionen zu erhöhen. In dem um 1935 entstandenen Schlüsselwerk Räumliche Brechung eines Rechtecks gelangte Glöckner durch das dreimalige Falzen einer rechteckigen Messingplatte um 60, 270 und 90 Grad zu einer dreidimensionalen Form. Bis heute behauptet die Faltung ihren festen Platz in der konkreten Kunst. Dies mag daran liegen, dass die Übersetzung von Linien in klar gezogene Faltkanten der Idee einer sachlichen Formensprache entgegenkommt. Glöckner hat sich dem Diktum der rein geometrischen Konstruktion jedoch nie ganz untergeordnet. In Bezug auf die Faltung war es ihm vielmehr wichtig, auch dem Eigenwert des jeweiligen Materials Raum zu geben. So verwendete er unterschiedliche Papiersorten, die er je nach Beschaffenheit faltete oder gar zerknitterte: feste Papiere, deren Oberflächen er farbig gestaltete, oder durchscheinende Papiere, die durch die Faltung mehrere Ebenen sichtbar werden ließen. Das Material Kunststoff brachte er in eine kurvige, auch vom Zufall beeinflusste Form, wohingegen er Metall scharfkantig falzte.
Die hier vorgestellten Werke gehören zu einer Reihe von Papierfaltungen, die vom Künstler mit Temperafarbe koloriert wurden. Bei der Bemalung orientierte sich Glöckner an den Linien, die sich aus den Faltungen ergaben, schuf dabei jedoch größere Formzusammenhänge. Zudem bleiben innerhalb der einzelnen Flächen Faltkanten sichtbar, die auf den prozesshaften Charakter der Werkentstehung verweisen, auf das Falten und Entfalten.
Durchdringung zweier Quadrate stellt die Frage nach Positiv und Negativ in einer klaren, symmetrischen Komposition. Glöckners Faltung Dreieckige Erhebungen auf Rot lässt sich hingegen durch die Bemalung in Schwarz und Weiß auf ein interessantes Wechselspiel zwischen Außen und Innen ein, das einer jeden Faltung inhärent ist.
Hermann Glöckner
1889 geboren in Cotta (Dresden)
1987 gestorben in Berlin (West)