Adolf Fleischmann
Darkness within the Blue, 1956
Öl auf Leinwand
76 x 63 cm
© Künstler
Foto: Gerhard Sauer
Adolf Fleischmann gehört zu jenen Malern, die zur Weiterentwicklung von Konstruktivismus und geometrisch-abstrakter Malerei im frühen 20. Jahrhundert beigetragen haben. Wie Oskar Schlemmer und Willi Baumeister studierte er bei Adolf Hölzel an der Stuttgarter Kunstakademie. Sein Frühwerk aus den Jahren vor 1945 ging jedoch zum größten Teil im Zweiten Weltkrieg verloren, weil das Leben des Künstlers seit 1933 von Flucht und Emigration geprägt war. Von 1938 bis 1952 lebte er in Frankreich, wo er sich der Résistance anschloss und mehrfach in Internierungslager geriet. Die wenigen erhaltenen Werke der 1920er bis 1940er Jahre zeugen von einer Auseinandersetzung mit Kubismus und Konstruktivismus, wobei in den späteren Bildern geschwungene Kreis- und Spiralformen dominieren.
Um 1950 erfolgt in Paris der Durchbruch zu einer neuen Werkphase, nachdem Adolf Fleischmann Piet Mondrians Werk kennenlernt und dessen puristisches Bildkonzept des horizontal-vertikalen Rhythmus unter Verwendung der Primärfarben sowie Schwarz und Weiß als substanziellen Ausdruck des Lebens für sich entdeckt. Die anschließend entstehenden Arbeiten sind nach einem Muster aufgebaut, dessen Module er geradezu obsessiv variiert: parallel gesetzte horizontale Linien werden in ihrem Verlauf unterbrochen und verbinden sich zu flächigen, sich verzahnenden Winkelformen. Zur Mitte hin steigert und hellt sich die Farbigkeit oft auf. Abschließend überschneiden vertikale Stäbe in regelmäßigen Abständen die waagerechte Streifenstruktur. Sie dienen als Balance schaffende Lote auf vorderster Ebene und dominieren später auch die gesamte Bildfläche. Die exakt gemalten, dicht aufeinander folgenden Streifen bewirken eine leicht vibrierende Bewegung. Doch im Unterschied zur Op-Art verzichtet Fleischmann auf Lineal und Abklebbänder. Das Malerische, die „peinture pure“, bleibt in seinem Werk bestimmend und verleiht ihm eine persönliche Handschrift.
Darkness within the Blue entsteht 1956, als Adolf Fleischmann bereits seit vier Jahren in New York lebt. Wie in Mondrians Broadway Boogie Woogie von 1942/43 verbinden sich in dieser Arbeit die kompositorische und farbliche Strenge mit einem pulsierenden synkopischen Rhythmus – beeinflusst von Erlebnissen in der Neuen Welt. Doch im Vergleich zu Mondrians Bild erhellen nur wenige rote, weiße und gelbe Lichtpunkte die labyrinthische Klaviatur von Darkness within the Blue; ansonsten sind die Farben ins Ocker, Rosa und Braun gebrochen. Die Dominanz des von Schwarz durchdrungenen Blaus bewirkt eine melancholische, abgeklärte Stimmung – wie im Blues.
Adolf Fleischmann
1892 geboren in Esslingen am Neckar
1968 gestorben in Stuttgart