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Museum Ritter
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Esther Stocker

Ohne Titel, 2015

Acryl auf Baumwolle

140 x 160 cm

© Künstlerin

Foto: Meinrad Hofer

 

Wesentlich für Esther Stockers Schaffen ist das konzeptuelle Ineinandergreifen von System und Chaos. „Ordnung brauche ich [...], um überhaupt erst eine Abweichung davon beschreiben zu können“, erklärt die Künstlerin. In ähnlicher Weise hatte bereits der französische Künstler François Morellet in seiner humorvollen Art formuliert: „Ich liebe die Strenge der Geometrie, aber ich liebe es noch mehr, sie zu bescheißen.“ Wo Morellet seine eigens auferlegten Systeme dem Einfluss des Zufälligen aussetzt, inszeniert Stocker die wohlkalkulierte Abweichung auf der Grundlage wahrnehmungstheoretischer Überlegungen. Besonders beeinflusst zeigt sie sich von der Gestaltpsychologie, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum entwickelte.

 

Anders als bei Morellet, der vielfach ein zugrundeliegendes System über das visuelle Resultat entscheiden ließ, ist es bei Stocker der kognitive Prozess des Sehens, den die Künstlerin zum Ausgangspunkt ihrer Arbeiten nimmt. Wie auch in dem vorliegenden Gemälde aus dem Jahr 2015, bewegt sie sich mit dieser Fragestellung in inhaltlicher Nähe zur Op-Art. Wie ist das Verhältnis von Vorder- und Hintergrund? Sehen wir in erster Linie eine weiße Gitterstruktur auf schwarzem Grund? Oder nehmen wir eher schwarze Quadrate auf weißem Grund wahr? Dabei steht die querrechteckige Leinwand in Spannung zum Quadrat als Basismodul der Komposition. Das Rasterfeld wird mehrfach gekippt und aus den orthogonalen Bildachsen gedreht, sodass es sich in viele schräg zueinander verlaufende Streifen teilt. Das gesamte Bildfeld gerät damit scheinbar ins Schwanken, und es entsteht ein räumlicher Eindruck. Schauen wir auf die keilförmigen Leerstellen und den Bildrand, der das Quadratraster „anschneidet“, treten die weißen Partien optisch stärker in den Vordergrund. Auf diese Weise aktiviert und irritiert Stocker den Wahrnehmungsprozess des Betrachters und führt ihm wortwörtlich das eigene Sehen vor Augen.

 

Esther Stocker

1974 geboren in Schlanders (IT)

Lebt und arbeitet in Wien