
Marguerite Hersberger
Ruhender Kreis
Acrylglas, geschliffen, Acrylfarbe
114 x 114 x 5 cm
© Künstlerin
Foto: Gerhard Sauer
Marguerite Hersbergers dominierender Werkstoff ist Acrylglas. Transparent oder trüb, farblos oder mit Farbe lasiert wurde er zum Erkennungsmerkmal ihrer Kunst. Anfänglich arbeitete die Künstlerin ausschließlich mit Prismen oder rechtwinklig geometrischen Formen; seit 1990 werden diese durch Kreisformen ergänzt. Bei ihrer Arbeit Ruhender Kreis sind zwei Acrylscheiben in einem Abstand von circa 2 cm übereinander gelagert; so vollzieht Marguerite Hersberger eine Erweiterung der Bildfläche ins Räumliche. Ihre Arbeiten sind deshalb zwischen Bild und Skulptur anzusiedeln und werden von ihr selbst als „Reliefbilder“ bezeichnet.
Auf der hinteren Scheibe ist ein quadratischer Rahmen zu sehen, bestehend aus zwei blauen Rechtecken, zwei schwarzen und zwei grauen Quadraten. Er wird von einer kreisrunden weißen Fläche umspielt. Der Farbauftrag erfolgt auf dem Acrylglas in Lasurtechnik. Die Farbschichten bestimmen die Farbdichte und somit die Farbintensität. Das vordere Acrylglas ist geschliffen und matt. Hierbei wurde ein quadratischer Rahmen ausgespart, der einen transparenten, ungetrübten Durchblick auf die dahinter liegenden Farbflächen erlaubt. Durch die Mattierung der vorderen Scheibe wird die scharfe Außenlinie der kreisförmigen Fläche optisch aufgelöst. Eine weitere diffuse Formauflösung ergibt sich, wenn die Arbeit nicht frontal, sondern von der Seite aus betrachtet wird. Mit dem Standortwechsel schiebt sich die matte Scheibe über die Farbflächen und führt auch hier zur Konturauflösung. Der „Luftraum“, wie Marguerite Hersberger den Abstand zwischen den Scheiben bezeichnet, ist hierbei entscheidend. Er gibt dem geometrisch Berechenbaren etwas Unberechenbares.
Dieses Jonglieren fasziniert sie seit ihrem Parisaufenthalt von 1967 bis 1970. Dort lernte sie die „Groupe de Recherche d’Art Visuel“ (GRAV) kennen, deren Gründungsmitglied François Morellet sie im Besonderen beeinflusste. Bei ihm fand sie die Anwendung mathematischer Regeln, die zugleich von Zufall und Ironie unterwandert werden. Marguerite Hersberger arbeitet mathematisch exakt. Das Wesentliche ist für sie aber nicht der formale Zusammenhang, sondern die geheimnisvollen Interferenzen zwischen Formen und deren Wirkung. Ihre Kunst bietet sich als Metapher von Welt an: als Metapher für die ewige Diskrepanz zwischen Sein und Schein und für die Tatsache, dass letztendlich stets der eigene Standpunkt die Wahrnehmung der Dinge bestimmt.
Marguerite Hersberger
1943 geboren in Basel
Lebt und arbeitet in Zürich