
Johannes Itten
Orange-Blaugrün-Modulation, 1964/65
Öl auf Leinwand
84 x 78 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Foto: Gerhard Sauer
Der Maler und Kunstpädagoge Johannes Itten ist insbesondere für seine Lehrtätigkeit – unter anderem am Bauhaus in Weimar – und für seine Farbtheorie bekannt. Sein künstlerisches Œuvre umfasst gegenständliche Darstellungen, geometrisch-abstrakte Raster- und Spiralstrukturen, die er erstmals um 1915 schuf, abstrakte Plastiken sowie gestischfreie Bildkompositionen, die aus seiner Auseinandersetzung mit japanischer Tuschmalerei entstanden.
Der von Itten entwickelte Vorkurs prägte die gesamte frühe Bauhaus-Pädagogik. Anhand von Material-, Form- und Farbstudien erlernten die Schüler die Grundlagen bildnerischen Gestaltens. Da Korrekturen seiner Auffassung nach Fantasie und Selbstvertrauen abträglich waren, ließ Itten stattdessen die Arbeiten gemeinsam besprechen. Er strebte eine ganzheitliche Bildung des Menschen an, um dessen schöpferische Kräfte und Wahrnehmungsfähigkeiten zur Entfaltung zu bringen. Der Unterricht bezog daher – mit Gymnastik, Atem- und Entspannungsübungen, Meditation und Ernährungslehre – den gesamten Körper mit ein, der gelockert werden sollte, um alle Sinne auszubilden und die Erlebnisfähigkeit zu steigern. Richtungsweisend war für Itten die auf den altpersischen Zarathustrismus und andere Religionen zurückgehende Mazdaznan-Lehre, die in der sogenannten Lebensreformbewegung um 1900 viele Anhänger fand. Außerdem hatte er wesentliche Anregungen von seinen Stuttgarter Lehrern Adolf Hölzel und Ida Kerkovius erhalten, darunter auch die, in Kontrasten zu denken und Bilder von der Farbe ausgehend aufzubauen. Das Experimentieren mit Materialien und die Analyse kunsthistorischer Werke zur Erkundung von Rhythmus, Komposition und Hell-Dunkel-Kontrasten nahm er ebenfalls in die eigene Lehre auf. Itten hatte sich unter anderem mit den Farbforschungen Philipp Otto Runges, Johann Wolfgang von Goethes und Adolf Hölzels befasst und veröffentlichte 1921 am Bauhaus ein eigenes Farbschema, den Farbstern. Vollständig zusammengetragen hat er seine Farbtheorie in der Publikation Kunst der Farbe von 1961.
Das Ölbild Orange-Blaugrün-Modulation entstand 1964/65, einige Jahre nachdem Itten seine Leitungspositionen in Schulen und Museen abgegeben und sich wieder intensiv der Malerei zugewandt hatte. Das Schema des Schachbretts empfand er als Befreiung von formalen Fragen und als ideale Möglichkeit, Farbklänge zu studieren. Das Gemälde vereint die von Itten beschriebenen Farbkontraste: den Kalt-Warm- und Hell- Dunkel-Kontrast, den Qualitätskontrast mit durch Weiß getrübten Farben und den Spannung erzeugenden Komplementärkontrast zwischen leuchtendem Blau und Orange. Gemischt ergeben diese ins Violett, Ocker oder Olivgrün tendierende Farbnuancen. Die Modulation von einem Farbton zum nächsten entsteht nicht auf der Bildfläche, sondern im Auge des Betrachters, das die Quadrate summarisch wahrnimmt. Die kontrastierenden Farbfelder erzeugen den Eindruck einer flimmernden Bewegung.
Johannes Itten
1888 geboren in Süderen-Linden (CH)
1967 gestorben in Zürich