
Gerold Tagwerker
grid.portrait, 2007
Glas, Spiegel, verzinkter Gitterrost, verzinktes Stahlblech
101 x 101 x 6 cm
© Künstler
Foto: Atelier Tagwerker
Für Gerold Tagwerker sind städtische Architekturen Erlebnisfelder. Dementsprechend verwendet er für seine Kunst industriell gefertigte Materialien aus dem Baustoffhandel. Neben Konstruktionsholz, Aluminiumprofilen, verzinkten Gitterrosten oder Leuchtstoffröhren setzt er bereits seit über zwanzig Jahren Spiegeloberflächen ein, die er in vielfältiger Weise weiterbearbeitet. Häufig kombiniert er die genannten Werkstoffe in einer Arbeit miteinander.
Zersplittert, mit Fehlstellen versehen oder von Schrauben durchbohrt und durch die so entstandenen Risse willkürliche Zeichnungen evozierend, schaffen die Spiegelungen in Glas oder Folien jedoch nur eine bedingt illusionistische Tiefenräumlichkeit. Wie bei den Lichtobjekten des Künstlers, deren oft nur phasenweises Aufflackern ebenso einen Defekt vortäuscht wie der durch beständig klackernde Starter erzeugte „Soundtrack“, sind auch die verschiedenen Spiegelbearbeitungen auf die Irritation des Betrachters und seiner Wahrnehmung angelegt.
Zwischen die quadratischen Flächen des Spiegelglases im Hintergrund und des Klarglases im Vordergrund ist bei Tagwerkers grid.portrait [Gitter.Porträt] ein verzinkter Gitterrost montiert, wie man ihn als stabile, funktionale Abdeckung von Bodenöffnungen und Lichtschächten im architektonischen Außenbereich kennt. Das im Bauwesen gebräuchliche Material erfährt hier eine ungeahnte Nobilitierung. Die ebenfalls quadrierte Binnenstruktur des Metallgitters spiegelt sich einerseits in der rückwärtigen Spiegelfläche selber wider, andererseits rastert sie das Spiegelbild des von außen in das Objekt blickenden Betrachters auf: Dieser wird folglich nicht in eine einzige, seine Gestalt reflektierende Untiefe eingesogen, sondern in viele kleinere Rechteckräume aufgesplittert. Das so entstandene Selbstbild droht sich in einer Art kleinteiligem Labyrinth, einem geradezu klaustrophobischen Spiegelkabinett zu verlieren.
Die räumlich gestaffelte Anordnung der verschiedenen beschichteten Platten (transparentes Glas, verzinktes Stahlgitter, bedampftes Glas) erinnert zudem an das optische System von Kameragehäusen, in deren Innerem Licht und Schatten ihren dauerhaften Niederschlag auf Fotopapier oder Filmrollen finden. Auf mehreren Ebenen werden so Impulse der für Gerold Tagwerkers Arbeit prägenden kinematografischen Technik des Film noir, die Spiegelfläche als Material und Metapher im Allgemeinen sowie die Analogie zum digitalen Pixelbild im Besonderen miteinander verknüpft.
Gerold Tagwerker
1965 geboren in Feldkirch
Lebt und arbeitet in Wien