
Martin Willing
Bewegtes Quadrat, 2011
Titan, wasserstrahlgeschnitten, gekantet, vorgespannt
97 x 97 x 15 cm
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Foto: Gerhard Sauer
Seit Ende der Siebzigerjahre beschäftigt sich Martin Willing in seinen Metallskulpturen mit dem Phänomen der Bewegung. Anders jedoch als bei den Werken von Kinetikern der Vergangenheit wie Alexander Calder, George Rickey oder Jean Tinguely entsteht Bewegung in Willings Arbeiten nicht durch den Einsatz von Scharnieren, Gelenken oder Motoren. Der Künstler lotet vielmehr das den verwendeten Metallen immanente Bewegungspotenzial aus, das durch einen äußeren Initialimpuls entfaltet wird. Es geht ihm darum, ein spezifisches, langsames Schwingungsverhalten sichtbar zu machen, das aus dem Zusammenwirken von Material, Formgebung und Bearbeitung entstehen kann. Seine Plastiken entwickelt der Künstler stets auf der Grundlage von Beobachtungen, Experimenten sowie präzisen Berechnungen und Simulationen. Er bedient sich formstabiler, elastischer Metalle mit geringem Eigengewicht wie zum Beispiel Federstahl, Duraluminium, Weldural oder Titan. Vorgespannt, gewickelt, geschichtet, gebogen, geschnitten oder geschweißt entstehen hieraus Plastiken, die meist auf geometrischen Grundformen basieren und die je nach Formkonstellation unterschiedliche Schwingungen erzeugen. Dabei zeichnen sich Willings frühe Objekte durch eine einfache Formensprache aus. Es sind filigrane Arbeiten wie zum Beispiel Federstahlstäbe, die – gegen die Schwerkraft vorgespannt – als schwerelos anmutende, zeichenhafte Linien in den Raum ausgreifen. Die in der Folgezeit entstandenen Arbeiten sind komplexer geformte Raumkörper, die mitunter als Monumentalplastiken Einzug in den öffentlichen Raum hielten.
Bewegtes Quadrat schuf Willing aus einer vorgespannten Titanplatte. In jeweils gleichem Abstand an den vier Ecken der Fläche beginnend, setzte er parallel zu den Seitenkanten des Quadrats präzise lineare Schnitte, die an den imaginären Diagonalachsen der Platte im rechten Winkel abknicken, in Richtung Mitte streben und so die vormals plane Fläche in ein instabiles Gebilde aus immer schmaleren Bändern auflösen. Die Bänder laufen im Zentrum der Arbeit zu einem kleinen Quadrat zusammen, an dessen Rückseite das Objekt an der Wand befestigt ist. Suggeriert die spiralförmige Lineatur bereits eine gewisse Tiefenräumlichkeit, so drängt die trichterartige Gesamtform der Arbeit real in den Umraum vor. Durch einen sanften Stoß in Bewegung versetzt, beginnt das Werk, rhythmisch zu schwingen: Gleitende Wellen breiten sich dann über die schimmernden Oberflächen aus, bis das Objekt allmählich in den Ruhezustand zurückkehrt.
Martin Willing
1958 geboren in Bocholt
Lebt und arbeitet in Köln